30 Jahre Mauerfall- Zeitzeugen kommen in den Unterricht


Eine Politikstunde der besonderen Art erlebte die FOSO6 in Emsdetten. Bernd Hidding, Politiklehrer, lud zusammen mit Schülerin Jaquelin Handt, die den Kontakt herstellte, Zeitzeugen in den Unterricht ein. Anlass war das 30 jährige Jubiläum zum Mauerfall. Dabei handelte es sich um niemand Geringeres als Gerlinde und Jürgen Handt, die Großeltern von Jaquelin. Über ihre Flucht 1989 über Ungarn in den Westen hat Gerlinde Handt ein Buch verfasst, Zeitdokument und zugleich Autobiografie. Natürlich hat Jaquelin im Vorfeld des Besuches aus dem Buch ihrer Großmutter vorgelesen, und so ergaben sich für die Schülerinnen und Schüler viele Fragen, die vor allem das  normale Alltagsleben in der ehemaligen DDR betrafen. Wie lebt man, wenn man zwar eine Arbeit hat und Geld verdient, aber gar keine Möglichkeit hat, es auszugeben, da viele Sachen gar nicht zu kaufen waren? Wie fühlt es sich an, wenn man niemandem so richtig trauen kann, weil vielleicht der Freund, Verwandte, Nachbar oder Kollege ein IM ist, also ein „Informeller Mitarbeiter“ der Stasi, jener Geheimpolizei, die ihre IMs  oft nur durch Druck und Erpressung „angeworben“ hat? Wie wächst man auf, wenn schon als Schüler eine eigene Stasi-Akte angelegt wird und man folglich systematisch zum Lügen erzogen wird? Wie mag man sich fühlen, wenn  ein kritisches Wort, mal eben so dahingesagt in der Schule, ohne Hintergedanken, die eigene berufliche Zukunft verbaut oder die eigenen Eltern daraufhin negative Auswirkungen in ihrem Berufsleben erleiden mussten?

Wie fühlen sich vor allem heutige Erwachsene, die oft immer noch auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern sind, weil sie als Kind ihren Eltern entrissen wurden, ins Heim gesteckt oder zu linientreuen Pflegefamilien gebracht wurden? Neben den für uns im Westen Großgewordenen kaum vorstellbaren ganz normalen Alltagserfahrungen bezog das Ehepaar Handt aber auch Stellung zur heutigen Situation zwischen „Ossis“ und „Wessis“. Woran liegt es, dass offenbar noch immer nicht so richtig zusammengewachsen ist, was doch ganz klar zusammengehört? Viele Ostdeutsche, so Gerlinde und Jürgen Handt,  fühlten sich nach der Wende einfach abgehängt. Die Konsequenzen sind bis heute zu spüren. Wie ist es denn, von jetzt auf gleich seine Arbeit zu verlieren- in der alten DDR hatte jeder eine Arbeit, der Staat kümmerte sich. Viele wurden nach dem Jobverlust allein gelassen, mussten sich selber kümmern und hatten doch nie gelernt, wie das überhaupt geht. Dazu kommt, dass sich viele Ostdeutsche von den Wessis „übers Ohr gehauen“ fühlten, viele wurden um ihr Geld betrogen. Für Frust sorgte sicher auch die Tatsache, dass viele Ostdeutsche nach der Wende ihre alten Posten behielten und nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, ähnlich wie in der Nachkriegszeit viele Nazis in der jungen Bundesrepublik  auf ihren alten Posten blieben. Sicherlich viele Gründe, die das Erstarken des Rechtsextremismus gerade im Osten der Republik erklären.

Was hilft also, um 30 Jahre nach dem Mauerfall nun auch auf beiden Seiten die bei vielen noch im Kopf bestehende Mauer einzureißen? Sowohl Menschen aus dem Westen als auch aus dem Osten, darin waren sich alle einig, müssen noch mehr aufeinander zugehen.